„Dem Waffengang der Brüder an der Front würdig“.¹ Der Kleingartenverein „Goldene Höhe“ e.V. im Nationalsozialismus

Schon früh wurden die Gartenvereine in das nationalsozialistische System eingegliedert (vgl. den Beitrag https://kgv-goldene-hoehe.de/zwang-und-mitwirkung-das-jahr-1933-im-kleingartenvereingoldene-hoehe.html). Um einen Einblick in den Einfluss der politischen Verhältnisse auf die alltägliche Vereinsarbeit zu erhalten, lohnt die Einsicht in die erhaltenen Unterlagen unseres Gartenvereins, die besonders die Kommunikation des Vorstands mit der Leipziger Kreisgruppe widerspiegeln. Der folgende Beitrag konzentriert sich dabei auf das Frühjahr 1940.

Die Mitteilungen der Leipziger Kreisgruppe beschäftigten sich Anfang Januar mit der Anzahl der Maulbeerbäume in den Vereinen.² Diese Bäume dienten der Zucht von Seidenraupen, mittels derer Fallschirmseide hergestellt werden sollte. Auf diese Weise sollte das Deutsche Reich unabhängig von Seidenimporten werden. Entsprechend der Aufforderung, die Anzahl der Pflanzen umgehend zu melden, berichtete der der Vorstand der „Goldenen Höhe“ am 14. Januar an die Kreisgruppe: „[I]n unserer Anlage sind 250 2-jährige Maulbeerbüsche eingepflanzt, die Vereinseigentum sind“.

Ende Januar informierte die Kreisgruppe über einen für gartentechnische Mitglieder (Fachberaterinnen, Gartenwarte und Preisrichterinnen) verpflichtenden Vortrag zum Thema Saat- und Pflanzguteinsparung. Anfang Februar erfolgte eine Umfrage darüber, welche Düngemittel die Vereine für das Jahr 1940 bezogen hatten. Laut den handschriftlichen Notizen auf diesem Blatt hatte die „Goldene Höhe“ unter anderem rund eine Tonne Thomasmehl, eine halbe Tonne Kali, eineinhalb Tonnen Düngekalk, 140kg Kalimagnesia, 20kg Nitrophoska und 40 Ballen Torfmull bezogen.

Liste der Düngemittel 1940

Mitte Februar wiederum verlangte die Kreisgruppe Bericht darüber, „in welchem Umfange die Kleintierhaltung seit Kriegsbeginn zugenommen hat.“ Zugleich erhielten die Vereine eine „Aufstellung der erforderlichen Arbeiten und eine Landes-Sortenliste sowie eine Aufstellung der Heil- und Gewürzkräuter zur genauen Beachtung.“ Die Antworten unseres Vereins auf beide Anfragen sind leider nicht in unseren Unterhalten erhalten geblieben.

Auch der Gartenverein selbst beteiligte sich an Initiativen, die durch die politische Lage motiviert waren. Mitte März lud der Vorstand die Kreisgruppe zum Familienabend am 30. März ein. Neben dem Auftritt des Männerchores der „Goldenen Höhe“ warb der Verein insbesondere mit einem „zeitgemä[ß]en Vortrag von Pg. Dr. Schmitz über ‚Das Verhältnis Englands zu Deutschland während der letzten 300 Jahre‘ […].“ Ähnliche Veranstaltungen in diesem Zeitraum, die etwa vom Kreisverband durchgeführt wurden, zeigen, dass die Kleingartenarbeit der propagandistischen Unterstützung des Krieges gegen die Alliierten diente.

Neben solchen unübersehbaren Bezügen auf den Krieg finden sich in den Akten unseres Gartenvereins aber auch ganz banale Aufzeichnungen. So bat der Verein in seinem Schreiben an die Kreisgruppe vom 14. Januar um Teilnahme an der Jahreshauptversammlung. Die Einladung für die am 11. Februar geplante Veranstaltung spiegelt ein wenig Enttäuschung über die bisher mangelnde Präsenz des Kreisverbandes wieder: „Wir würden erfreut sein, wenn unsere Einladung auch einmal auf fruchtbaren Boden fallen würde, um unseren Mitgliedern zu zeigen, dass unsere Kreisgruppe wirklich auch existiert.“³ Mit ihrer Bitte hatten die Verantwortlichen aus der „Goldenen Höhe“ Erfolg, gaben sie doch am 19. Februar ihrer „Freude Ausdruck, dass unser Kreisgruppenführer, Kamerad Pröckl, unserer Einladung zur Hauptversammlung am 11.2.40 entsprochen hat […].“ Dem Bemühen, die Vereinsaktivitäten betont alltäglich weiterzuführen, entsprach die Weiterführung etablierter Traditionen: Am 14. Februar wurden die Ergebnisse des Kleingartenwettbewerbs 1939 mitgeteilt. Über die Auszeichnung als besten Garten in der „Goldenen Höhe“ konnte sich der Vorsitzende, Willy Siedentopf (Garten 107) freuen.

Schließlich fallen noch Notizen zu den Umwelteinflüssen auf den Gartenverein ins Auge. So berichtete der Verein am 21. März 1940 an die Kreisgruppe, dass die Rietzschke im Frühjahr 1940 „fast ein Drittel der Gartenanlage“ mehrfach überflutet habe und sendete Schadensanzeigen, um Versicherungssummen einzufordern. Beispielsweise umfasste die Schadensmeldung für den Garten 119c: Schaden an Bäumen noch nicht festgestellt; Schäden an der Laube; Verlust einiger Hühner; Verlust einiges Mutterbodens; Verlust von einem Zentner Zement. Diesen Anzeigen widmete sich die Kreisgruppe in ihrer Antwort vom 12. April 1940 kritisch: „Gans (sic!) besonders fällt auf, dass die angesetzten Schäden für ‚Mutterboden‘ viel zu hoch sind. Ich bitte, insoweit die Bestimmungen über den Unwetterstock in den Landesbundsatzungen nachzulesen.“

Die unübersehbaren Zeichen des Krieges und die Banalitäten der täglichen kleingärtnerischen Tätigkeit rücken in den erhalten gebliebenen Aufzeichnungen eng zusammen und zeigen nicht nur, wie stark die „Goldene Höhe“ den politischen Umständen ausgesetzt war, sondern auch, wie die Vereinsangehörigen selber ihre Gartenarbeit bereitwillig mit den Anliegen des NS-Staates vermischten.

1) Zitat Hans Kaiser, aus: Was der Reichsbund sagt. Nachrichtendienst der Fachberatung des Reichsbundes deutscher Kleingärtner e.V., Januar 1940, Nr. 4.

2) 9.1.1940, Kreisgruppe Leipzig der Kleingärtner e.V., Rundschreiben 1: „Maulbeerpflanzen: Eine große Anzahl Vereine haben noch nicht die mit Rundschreiben vom 18.12.39 angeforderten Meldungen abgegeben. Es hat dies u m g e h e n d zu geschehen.“

3) Brief des Gartenvereins vom 14.1.1940.