Dezember 2024
Samstag 14. Dezember
- 10:00 – 12:00
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VorstandssprechstundeKGV Goldene Höhe eV, Virchowstraße 90a, 04157 Leipzig, Deutschland
Wie sah der Alltag im Gartenverein vor nun fast vierzig Jahren aus? Unsere Chronik (von Eleonore Hennig) beschreibt die 80er Jahre als eine Zeit des Aufbruchs: Eine eigene Fußballmannschaft wurde gegründet, die Gärten ans Stromnetz angeschlossen, Zäune repariert, die Wege erhielten ihre heutigen Namen und wurden befestigt. Aber wie gestaltete sich das Klein-Klein des Alltags? Den Blickwinkel des damaligen Vorstands beschreiben die Protokolle der „Sprechstunde des Vorstands“. Diese unregelmäßig erhalten gebliebenen Dokumente vermerken die Mühen der Ebene, mit denen sich der Vorstand herumschlagen musste. Im Folgenden werden Auszüge aus diesen Protokollen wiedergegeben. Das dafür verwendete Protokollbuch enthält Einträge für die Jahre 1983 bis 1990. Die Zitate wurden wörtlich übernommen und lediglich gekürzt sowie anonymisiert. Außerdem wurde die Rechtschreibung angepasst.
Zu den Notizen organisatorischer Art, die auch heute noch in einem solchen Protokoll auftauchen könnten, gehört zweifelsohne die vom 8. August 1983:
Gartenfreund K erklärt sich bereit, die Gaststätte nach dem Einbau der Fenster zu malen.
Daneben zeugen die Vermerke aber auch von Missgeschicken, wie etwa am 10. Oktober 1983:
Frau N. war zwecks Aufnahme als Mitglied zur Mitgliederversammlung erschienen. Es fand keine Mitgliederversammlung statt. Es wurde vergessen, Frau N. zu verständigen. Frau N. wird zur nächsten Mitgliederversammlung eingeladen.
Aber auch handfeste Streitigkeiten konnten vorkommen. Davon berichten Vermerke vom 18. Juni 1984: Familie S beschwert sich über Gartenfreund W.: Dieser werfe der Familie vor, sein Anfang Juni verlorenes Sparkassenbuch und Bargeld (1000 DM West) gestohlen zu haben. Außerdem beleidige er fortwährend die Familie, etwa mit den Worten:
Im Garten sind die Schweine!
Ein ähnlich gelagerter Fall, wenn auch weitaus weniger dramatisch, ereignete sich 1986: Am 11. August wurde
Gartenfreund S. vorgeladen wegen Diebstahls der Sauerkirschen im Nachbargarten. Es gibt einen Zeugen, allerdings lässt sich nicht nachweisen, dass S. einen Eimer voll gestohlen hat. S. wird ernsthaft belehrt.
Dieser Streit zog sich offenbar ein ganzes Stück hin, denn für den 13. Oktober hält das Protokoll fest, dass besagter S.
wegen der Anschuldigungen vom 11. August eine öffentliche Entschuldigung
verlangt habe.
Zum Schluss dieses kleinen Einblicks soll noch das Dauerthema der 80er Jahre Erwähnung finden: Die Gartenvergabe. Fast in jeder Sprechstunde war sie Thema. Denn ganz offensichtlich waren die Gärten begehrt. Wie streng der Vorstand dabei vorging, zeigt ein Eintrag vom 11. Mai 1987:
Gartenfreund R. spricht vor wegen der Pflege seines Gartens durch einen Bekannten. Bekannter kann Hilfe leisten, kann Mitglied werden mit allen Pflichten (Beitrag und Pflichtstunden), aber hat keinerlei Anspruch auf Übernahme des Gartens. Wartezeit muss eingehalten werden!
Auch Mitglieder ohne Garten mussten sich also finanziell und mit ihrer Arbeitskraft im Verein beteiligen. Über die Wartezeit gibt ein weiterer Eintrag am selben Tag Auskunft:
Ehepaar H. bewirbt sich um Mitgliedschaft. Es wird darauf hingewiesen, dass die Wartezeit ca. 6-7 Jahre beträgt, das Alter des Ehepaares wird besprochen, aber Familie H. soll selbst entscheiden, ob sie bei ihrem Wunsch bleiben will.
Weil die Einträge des hier bearbeiteten Protokollbuchs bis in die 90er Jahre reichen, lässt sich anhand der Gartenvergabe auch der enorme Umbruch, den die Wende mit sich brachte, nachzeichnen. Nachdem zwischen 16. Oktober 1989 und 19. März 1990 keine Sitzung protokolliert wurde, erklären die Einträge vom 19. März, dass zwei Gärten abgegeben werden sollen. Zugleich ist diese Sitzung die erste im Protokollbuch, in der keine neuen Anträge auf Mitgliedschaft gestellt wurden. Die Protokolle der „Sprechstunde des Vorstands“ zeigen damit im Kleinen, welche Bedeutung die Veränderung der politischen Verhältnisse für einen Kleingartenverein haben konnten.